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Ohne Kissen, gute Matratzen und wärmenden Decken wäre es ungemütlich. Mich faszinieren diese Medien, weil ich schon seit der Kindheit mit schmerzenden Muskeln zu tun habe. Irgendwann während der Schulzeit fing ich an, mir dicke, flauschige Decken zu nähen, auf denen und mit denen ich meinen Leib verwöhnte.
In meinem Philosophiestudium lernte ich, dass zwischen Körper und Leib unterschieden werden kann. Unsere Körper inszenieren wir. Durch Training, Kosmetik, Kleidung, Styling und durch unterschiedliche Performances. Wir machen Mitteilungen nach außen, beziehen uns auf unsere Gegenüber, kommunizieren und interagieren mit ihnen. Mit dem Körper gehen wir zum Arzt und dem Körper geben wir Prothesen.
Aber es gibt noch einen anderen Körper, der für andere nicht sichtbar ist: Den Leib. Der ist gewissermaßen ein Innenraum, der nicht leer ist. Er ist möbliert mit unseren Empfindungen, mit Befinden, Emotionen, Leid, Freude, Glück, Langeweile, Trauer etc. Für andere nur bedingt sichtbar – aber für einen selbst spürbar und dauerpräsent.
Der Leib macht Mitteilungen an uns selbst, er tut weh, es geht ihm gut, er braucht Entspannung, er braucht Hilfe. Und entsprechend unseren Bedürfnissen bedienen wir ihn – wir satifizieren ihn mit Medien: Betten, Sofas, Polstern, Kissen – mit Medien, die uns und unseren Muskelgefühlen guttun: Soft Architecture. Mit diesen weichen Raummedien bedienen wir unsere Leibbedürfnisse. Es sind Pufferzonen zwischen dem Innen, dem Leib und dem Außen, dem Körper.
Soft Architecture erschien als Publikation 2012 im Verlag der Buchhandlung König, Köln. Darin beschreibe ich eine andere, eine leibaffine Architektur – Medien, die uns entspannen und die wir nicht mit den Augen, sondern mit Hautsinn und Muskelreaktionen wahrnehmen.
Auf dieser Internetseite stelle ich einige Agenten dieser leibaffinen Architektur vor, zeige Spots ihrer historischen Entwicklung, ergänzt durch weitere Essays und Projekte. Eigenleibliches Spüren ist aber auch im Umgang mit Krankheit ein Thema, an dem ich seit einiger Zeit arbeite und zu dem ich Texte auf diese Seite einspeisen werde.
Muskelgefühle

Wir leben in Räumen gebauter, stabiler Architektur. Und darin bauen wir uns weitere Räume, ‚weiche‘ Architekturen. Damit bedienen wir unsere Muskelgefühle, die uns Polsterungen zwischen unsere empfindenden Körper und der gebauten Architektur legen lassen. Von ‚Muskelgefühlen‘ spricht der Kunsthistoriker August Schmarsow 1893 in einem Leipziger Vortrag und dieser Begriff kann mit den Erkenntnissen der heutigen Hirnforschung mithalten. Anfang der 1990er Jahre entwickelt der Hirnforscher Antonio R. Damasio Zusammenhänge der ‚emotionalen Körperzustände‘. Wir wissen heute, dass es somasensible Hirnregionen gibt, in denen Empfindungen aus dem ganzen Körper als Signale empfangen und an den Körper zurückgesendet werden. (Antonio Damásio, Descartes Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn, Berlin 2010)
Für dieses Bedürfnis an Muskelgefühlen entwickeln Menschen (und Tiere) als WohnerInnen textile Gegenarchitekturen. Das sind Polsterungen und bewegungsreagible Medien im Innen-, aber auch im Außenraum. Wir puffern, polstern, dämpfen, installieren. Wir verweichen gebaute Architektur. In der Tat verbauen wir in textiles Material unsere Stimmungen, Bedürfnisse, Sehnsüchte und Emotionen. Im Projekt der Moderne war das Interieur entrümpelt und als der „verstellte, traumverlorene Rückzugsort des Bourgeois“ gekündigt worden. (Beate Söntgen, Interieur – Das kritische Potential der Gegenwartskunst, 2005, 365). Als Herstellungsort privater leibaffiner Selbstbegegnung ist dieser Rückzugsort jedoch nicht abgeschafft worden, mehr noch: Er fungiert zunehmend als Ort der Leibfahrung, nachdem der gesellschaftliche Körper an die gesundheitskulturellen Werte von Fitness delegiert worden ist.
Polsterungen – Bettenformationen, Liegekissen, Stützkissen, Lotterbetten, Faulbetten, weichgefederte Sofas, Wolldecken bedienen Muskelgefühle und Hautsinn. Sie reagieren auf kleinste Veränderungen einer Körperlagerung und Anpassungsbewegungen. Nach Damasio sind es somatische Hintergrundsempfindungen, die uns ein Wissen davon vermitteln, ob es uns gut geht oder nicht. In jedem Fall polstern wir unsere Wohnumgebung auf und vermeiden es, auf harten Untergründen zu sitzen oder zu liegen. Dabei schaffen wir eigene, softe Architekturen mit unseren Körpern und unseren Muskelgefühlen.
(aus: Heidi Helmhold, Affektpolitik und Raum, Zu einer Architektur des Textilen, Köln 2012)
Der letzte Raum
TotenFutterale – Zur Materialität von Trauerkultur

Der Sarg als letzter Raum
Die christliche Vorstellung als Ent-Schlafener (1Kor 15) aus dem Leben zu gehen, lässt die Menschen in eine bettähnliche Kiste legen – in den Sarg. Der Sarg ist der ultimative letzte Raum, gemeinhin aus Holz, in wenigen sargtypischen Grundformen eine Holzkiste von 2050 mm Länge, 750 mm Breite und 750 mm Höhe (einschließlich Füße). In Ghana werden Särge popkulturell gestaltet, die können auch mal als Auto oder als Tiger gestaltet sein. Aber mit diesen Vorstellungen würde man in Europa an Friedhofsordnungen scheitern. Särge werden in ein Grab gelegt, in einen zweiten letzten Raum in etwa zwei Meter Tiefe im Erdreich. Wobei Tuchbestattungen, wie der Islam sie kennt, aus religiösen und weltanschaulichen Motivationen zunehmend auch für Nichtmuslime als legitim diskutiert werden.
Im letzten Raum sind wir nicht mehr Akteure. Als Verstorbene können wir unseren letzten Raum bestimmt haben, aber wir können ihn nicht mehr aufsuchen. Tote sind passive Raumnutzer*innen. Sie begehen das Grab nicht, sondern werden beigesetzt. Sie legen sich nicht in einen Sarg, sondern werden sarggelegt. Sie besteigen keine höher gelegene Bühne, sondern werden auf einem Katafalk aufgebahrt – allesamt Würdeformeln von Raumbezug, die ritualisiert Handlungen über die Handlungslosigkeit eines Leichnams legen. Insofern sind letzte Räume diejenigen Räume, in denen es Akteur*innen nur als ihre Stellvertreter*innen gibt. In Erinnerung, im Gedenken, werden Tote in ihrer Personalität rekonstruiert, die handelnde Leerstelle in Rituale von Erinnerung und Gedenken überführt. Wie sieht die normierte Objektkultur eines Sarges aus? Wie gestalten Menschen Verabschiedungsrituale in christlich religiöser Kultur? Welche dingkulturellen Handlungsfelder werden konstruiert mittels Sarg und Sargausstattung? Was leistet die Bekleidungskultur an Körpern von Toten? Welche Bilder werden dabei erzeugt? Wie modifizieren sich trauerkulturelle Performanzen, wenn an die Stelle von christlicher Religion das Referenzsystem Natur tritt?
Mehr dazu unter Publikationen (2025).

